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JVA Stammheim


Con Fuoco in der JVA Stuttgart-Stammheim






'Ich bin gefangen gewesen und ihr seid zu mir gekommen' Matth. 25,36


Bei zwei Gottesdiensten der sehr ungewohnten Art spielte der Ökumenische Posaunenchor Con Fuoco am Samstag, den 02. Februar 2008: In der Justizvollzugsanstalt (JVA) Stuttgart-Stammheim begleitete Con Fuoco die beiden evangelischen Gottesdienste, die den Gefangenen an diesem Nachmittag angeboten wurden.
Die Predigt von Pfarrer Hans-Ulrich Agster betrachtete die Gefühle, die den Menschen am heftigsten berühren: den Schmerz und die Freude.
Wohin geht der Mensch mit seinem Kummer, wie geht er damit um? Was macht dem Menschen Freude? Und wie kann man Freude lebendig erhalten, auch im Kleinen?
In zahlreichen Beispielen aus der Bibel legte Pfarrer Agster dar, wie die Menschen der Bibel ihre Gefühle zu Gott bezogen: Nicht durch das Jammern, welches kein Gegenüber hat, da der Mensch sich im Jammern nur um sich selbst dreht, sondern in der Klage gegen Gott: Im Schmerz zerrissen sich die Menschen seinerzeit ihre Kleider, um zu zeigen: Ich trage großes Leid - heute wäre das undenkbar, denn heute ist man ja viel lieber 'cool'. Die Freude dagegen wurde mit den Mitmenschen unbändig ausgelebt, die Menschen tanzten auf den Straßen und feierten miteinander: 'Freut Euch mit mir, denn ich habe wieder gefunden, was ich verloren hatte'. Die Menschen lobten Gott und erkannten damit an, dass man nicht seines eigenen Glückes Schmied sei, so Pfarrer Agster.

Musikalisch setzten die 12 Bläser von Con Fuoco diese Predigt um mit zwei Stücken von Lionel Haas (*1971): 'La Peine - der Kummer' und "La Joie - die Freude', treffend ausgewählt vom musikalischen Leiter Martin Schönfeld.

Der Komponist bezieht sich darin auf Psalm 30,12. Dort heißt es:

'Da hast du mein Klagen in Tanzen verwandelt, hast mir das Trauergewand ausgezogen und mich mit Freude umgürtet.'

Diese beiden Empfindungen stehen im absoluten Gegensatz zueinander und sind doch untrennbar miteinander verbunden. Denn wirkliche Freude kann nur der empfinden, der auch den Kummer kennt. Und tiefe Trauer empfinden wir nur, weil wir die Unbeschwertheit der Freude erfahren haben.
Aus diesem Grunde kommt das musikalische Haupt-Thema auch in beiden Stücken zum Ausdruck. So wird die Verwandlung - des Kummers -> in Freude - für den Zuhörer spürbar. Die ergreifende Musik von Lionel Haas erzählt: La Peine - Der Kummer:

'Mir ist alles entglitten. Ich fühle mich hilflos, leer, mein Blick ist getrübt. Ich bin gefesselt in meiner Angst, gelähmt, kraftlos. Wie bin ich hierher gekommen? Ich weiß es nicht. Auf einmal habe ich es bemerkt, das alles anders ist. Es muss sich schon lange dahin bewegt haben, aber ich wiegte mich in Sicherheit. Nun stehe ich vor den Scherben und erkenne, dass ich machtlos und handlungsunfähig bin, ohne Orientierung, ohne Perspektive. 'Herr, ich flehe zu Dir: Höre mich! Lass mich nicht hier stehen. Hab Erbarmen und hilf mir!'

La Joie - Die Freude: 'Ich habe Licht gesehen, da muss ein Weg sein! Jemand ist mir entgegen gekommen, ein anderer geht neben mir her. Es scheint einen Ausweg zu geben, nicht mehr alles sinnlos zu sein. Ich schöpfe neue Hoffnung, neuen Mut weiterzugehen. Noch diese Steigung, die letzte kleine Kurve: Da ist er, der Weg, der mich zum Ziel führt. Ja, er ist es! Ich beginne zu tanzen, ausgelassen zu jubeln, drehe mich immer schneller, bis mir taumelig wird. Ich bin befreit! Meine Angst und Sorge ist in Freude verwandelt. Das Gestern erscheint in einem anderen Licht, es ist immer noch da, aber es macht im Heute Sinn, dass ich diesen Weg gegangen bin. Nun muss ich nicht mehr trauern, sondern bin zur Freude befreit. Das hast Du getan! Danke, mein Herr und mein Gott! Immer und ewig will ich Dir danken und Dich mit meinen Liedern loben.'



Die Männer zwischen 14 und 60 Jahren, die derzeit in Stammheim in Untersuchungs- oder Strafhaft sind, waren sehr bewegt von diesen Klängen und versuchten in die alten ('In dir ist Freude') und neuen Lieder ('Ich lobe meinen Gott, der aus der Tiefe mich holt') mit einzustimmen, die gleichfalls vom Posaunenchor intoniert wurden.
Pfarrer Agster informierte nach den Gottesdiensten über die Arbeit als Seelsorger im Gefängnis Stuttgart-Stammheim und die Bläser und Bläserinnen konnten bei der anschließenden Führung durch den Gefängnistrakt und den 'Besuch' einer (leeren) Zelle nachempfinden, was es heißt, 23 Stunden am Tag 'weggeschlossen' zu sein. Die JVA Stuttgart-Stammheim ist mit ca. 850 Gefangenen in Untersuchungs- und Strafhaft die größte JVA in Baden-Württemberg und war besonders durch die Inhaftierung der RAF-Häftlinge in den 70-er-Jahren weltweit berühmt geworden.
Der damalige Zellblock ist heute dem Jugendstrafvollzug vorenthalten, dessen jüngster Insasse gerade einmal 14 Jahre alt ist.
Die beiden jüngsten Mitglieder von Con Fuoco, Susanne Lutz und Damaris Schönfeld, durften dagegen aus Jugendschutzgründen nicht mitkommen. Sie waren jedoch beide bei der anschließenden Jahreshauptversammlung von Con Fuoco dabei.

Das Bild zeigt Con Fuoco beim Betreten der Justizvollzugsanstalt. Jenseits des eisernen Tores gilt aus verständlichen Gründen: Fotografieren verboten!

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