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Konzertreise Ostpreußen


CON FUOCO nach Königsberg/Kaliningrad (Ostpreußen) eingeladen!

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Nach der Konzerttour 2009 durch Irland reist CON FUOCO aufgrund einer Einladung des Propstes Jochen Löber von der Evangelisch-lutherischen Propstei Kaliningrad im August 2010 über Litauen (Kaunas und Klaipeda/Memel) in den russischen Teil des ehemaligen Ostpreußens. Bereits seit Ostern 2009 besteht ein reger Kontakt, dem wir aufgrund folgender offizieller Einladung gerne Folge leisten:

'Herzlich laden wir Sie, liebe Bläser des Ökumenischen Posaunenchores CON FUOCO in die Evangelisch-Lutherische Propstei Kaliningrad/ ehem. Königsberg ein. Seien Sie uns herzlich willkommen! Wir freuen uns auf Ihre musikalische Gestaltung unserer Gottesdienste und Ihre Konzerte in unserer Auferstehungskirche. Unser gemeindlicher Posaunenchor freut sich auf das gemeinsame Musizieren, unsere ländlichen evangelischen Gemeinden auf Ihren Besuch und Ihre Musik, die Sie mitbringen. Auch Kontakte zur katholischen und zur orthodoxen Kirchengemeinde sind bereits hergestellt.'

Der Wunsch und die Idee nach Kaliningrad zu reisen entstand bereits auf unserer ersten Konzertreise nach Rom, am Reformationstag 2007.
Dort musizierten wir das in Königsberg gedichtete und vertonte 'Such, wer da will, ein ander Ziel' und stellten fest, dass noch viele andere Lieder aus dieser heute vergessenen Region kommen, wie z. B. 'Gott des Himmels und der Erden' (EG 445), 'Macht hoch die Tür' (EG 1) und - wer kennt es nicht - das von Friedrich Silcher vertonte volkstümliche Lied 'Ännchen von Tharau'?.
Wir freuen uns darauf, diese Lieder wieder an ihrem Herkunftsort zu musizieren und zu erfahren, dass es dort sogar wieder evangelischen Gemeinden gibt und auch der Dom nicht mehr nur eine Ruine ist.
Da wir über Litauen und die Kurische Nehrung nach Kaliningrad Oblast einreisen, danken wir ganz herzlich Frau Doris Söhner für die vielen guten Tipps und Kontakte nach Klaipeda/Memel. Wir freuen uns sehr darauf, auch dort und evtl. auch in der evangelischen Kirche in Nidden und im Thomas-Mann-Haus zu musizieren.
Die Reisevorbereitungen sind bereits in vollem Gange: 13 Bläserinnen und Bläser werden sich im August auf die spannende und einmalige Konzertreise nach Königsberg/Kaliningrad und das frühere Ostpreußen machen. Es sind bereits Auftritte im Deutsch-Russischen Haus Kaliningrad und in der Salzburger Kirche in Gumbinnen/Gusev geplant.
Ein Wunsch ist natürlich ein Konzert im Königsberger Dom, der auf dem Bild zu sehen ist.



Con Fuoco auf Musikreise nach Litauen und Königsberg



War es der stumme Händedruck, mit dem ein ehemaliger russischer Offizier nach unserem Konzert im Kulturhaus von Prawdinsk unserem musikalischen Leiter Martin Schönfeld Dank ausdrückte? Waren es die unbeschreiblichen Begegnungen zwischen Menschen und Völkern, die geprägt waren von einer Wärme, Herzlichkeit und Freude, die uns nahe gingen - oder war es die Anerkennung und Danksagung von Igor Odincov nach unserem Konzert im Königsberger Dom?
Der heute 74jährigen Oberst a.D. und Ingenieur war in den 90er Jahren mit der Rekonstruktion des Königsberger Doms beauftragt worden. Er machte den Wiederaufbau des Doms zu seinem Lebenswerk und wacht seither strengstens darüber, wem überhaupt Eintritt gewährt wird, um auf der Orgelempore zu konzertieren - zusammen mit der Orgel, die Putin gestiftet hat. Igor Odincov hatte uns 'Bläser aus Deutschland' zunächst abgelehnt und sich nur durch Martin Schönfelds durchdachtes Konzertprogramm schließlich überzeugen lassen. Dank und Anerkennung aus seinem Munde und seine Umarmung für unseren musikalischen Leiter haben uns sehr berührt.

Dennoch bleibt die Frage der 'HEILBRONNER STIMME' bei unserem Pressegespräch nach dem Moment oder der Begegnung auf unserer Reise, die uns am meisten bewegt haben, schwer zu beantworten. Wir haben so viel erlebt!
Als gute Nachricht freut uns, dass die ganze Reise, wie am Schnürchen geklappt hat - was für eine Reise in russisches Gebiet ganz und gar nicht selbstverständlich ist. Keine unserer 'Befürchtungen' sind eingetroffen: Wir sind weder verhungert, noch erfroren. Im Gegenteil: Wo immer wir auch hinkamen, war bereits der Tisch für uns gedeckt und wir wurden überall zum Essen eingeladen - und die Temperaturen bewegten sich während der ganzen Reisedauer um die 35° C - so dass wir eher k urz vor dem Hitzekollaps standen. Auch wurden wir weder bestohlen noch wurden unsere Autos demontiert, wir mussten an der Grenze keine Koffer auspacken noch wurden unsere Instrumente auseinander genommen - nichts von unseren Befürchtungen geschah, gar nichts.

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Aber ein schlimmes Geschehnis hatten wir auch zu verkraften: Vier Tage vor der Heimreise erkrankte einer unserer Bläser an einer bösen Entzündung am Bein. Doch auch hier eine wunderbare Erfahrung, die uns berührt hat: In einem Nonnenkloster in Kaunas in Litauen verbrachten wir unsere letzte Nacht und spielten in der Kapelle nach dem Abendessen ein kleines Abendkonzert als Dankeschön. Unser 'Beinkranker' saß bei den Nonnen in der Bank und hörte uns zu - er konnte weder stehen geschweige denn spielen, Fieber und Schmerzen plagten ihn. Die Nonnen betrachteten den Gast sorgenvoll und knieten nach unserem Konzert vor dem Altar nieder, um zu beten und segneten ihn. In dieser Nacht entlud sich ein gewaltiges Gewitter über der Stadt. Am nächsten Morgen sah das entzündete Bein viel besser aus, es war abgeschwollen und das Fieber war weg - auch das sind bewegende Momente, die man nicht mehr vergisst. Unser kranker Held hat durchgehalten - und direkt nach der Landung in Deutschland haben wir ihn vom Flughafen weg ins Krankenhaus gefahren, wo er vollends wieder genesen konnte.

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Kaunas in Litauen war der Beginn und das Ende unserer Reise. Am Samstag, 07.08. landeten wir dort und machten uns gleich auf die Weiterreise nach Klaipeda, dem ehemaligen Memel. Am Sonntagmorgen, 08.08. galt unser erster Besuch dem Brunnen mit der berühmten Figur des Ännchens von Tharau. Dieses Denkmal wurde erstmal 1910 für Simon Dach gesetzt, dessen berühmtestes Werk das Volkslied 'Ännchen von Tharau' ist, zu welchem Friedrich Silcher die heute bekannte Melodie komponierte. 1989 wurde der heutige Brunnen auf dem alten Platz wieder eingeweiht, nachdem er in der Nazizeit einer Hitlerbüste und in der Sowjetzeit einem Panzerdenkmal hatte weichen müssen.

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Gleich im Anschluss führte uns unser Weg zur 'Klaipedos Sandora', der Diakonie der Evangelisch-Lutherischen Gemeinde in Klaipeda. Die Gemeinde hat ein ehemaliges Privathaus in der Altstadt bezogen, nachdem die Kirche dem Krieg zum Opfer gefallen war. Hier waren wir zu unserem ersten Matinee-Konzert eingeladen. Frau Magdalena Piklaps erwartete uns schon. Sie ist die Leiterin von Klaipedos Sandora und gleichzeitig auch Vorsitzende des Vereins der Deutschen in Klaipedá, der 1992 gegründet wurde. Bis nach dem ersten Weltkrieg gehörte das Memelland zu Ostpreußen, dann zu Litauen, zur Sowjetunion und jetzt wieder zu Litauen. Bis heute gibt es in dem kleinen Gebiet nördlich des Flusses Memel, heute Nemunas genannt, noch rund 4000 Deutsche, die zumeist als Kinder nach dem 2. Weltkrieg dort zurückblieben. Der Verein der Deutschen in Klaipeda ist das Sprachrohr dieser Menschen, die sich mit der deutschen Sprache und Kultur verbunden fühlen. Im Simon-Dach-Haus, einer Einrichtung, die vom Auswärtigen Amt Deutschlands eingerichtet wurde, treffen sich die Menschen zur verschiedenen Veranstaltungen.

Vor dem Gemeindehaus entdeckten wir eine große Rasenfläche, auf der einst die Sankt Johanniskirche mit ihrem 75 m hohen Turm stand. Die Kirche wurde 1944/45 stark beschädigt und von den Sowjets gänzlich beseitigt. Auf diesem Gelände, dessen Grundmauern heute mit einer Hecke 'nachgepflanzt' wurden, stellten wir uns zum einem Gruppenfoto mit Magdalena Piklaps in den imaginären Chorraum mit einem Holzkreuz, mit dem Versprechen, spätestens zur Einweihung des geplanten Neuaufbaus wieder zu kommen.
Mit Spannung wurde CON FUOCO dann im Gemeindesaal von Frau Piklaps und dem litauischen Pfarrer Reiholdas Moras und über 150 Gemeindemitgliedern erwartet. Im Eingangsbereich entdeckten wir Plakate mit litauischem und deutschem Text, die zum Konzert mit Con Fuoco freundlich einluden. Selbst Bilder von unseren Konzertreisen nach Rom und Irland waren ausgestellt. Arnold Piklaps, Direktor des Vereins der Deutschen in Klaipeda, übernahm die Übersetzung der Konzertmoderation unsres musikalischen Leiters Martin Schönfeld in die litauische Sprache. Nach barocken, klassischen und romantischen Musikstücken von Johann Sebastian Bach, Georg Friedrich Händel, Joseph Haydn und Felix Mendelssohn Bartholdy erwiesen wir mit dem Stück 'Cantate Domino' von Vytautas Miskinis auch eine Referenz an den bekannten litauischen Komponisten. Viel Applaus und eine anschließende Kaffeerunde war die Belohnung für das erste Konzert unserer Musikreise.
Da wir am Abend in Nida/ Nidden erwartet wurden, mussten wir uns sputen, dass wir mit der Autofähre auf die Kurische Nehrung übersetzen konnten.

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Wind und Meer haben aus dem Sand die Kurische Nehrung geschaffen, die auf einer Strecke von über 100 km Westeuropa mit dem Baltikum verbindet, deshalb diente es lange Zeit auch als Postweg. Auf diesem schmalen Landstreifen fuhren wir mit unseren Kleinbussen nach Nida/ Nidden. Dort war im Restaurant Kurschis für CON FUOCO bereits ein Tisch zum Abendessen reserviert. Bereits unterwegs in Preila und später auch in Nidden konnten wir überall Plakate in Deutsch und Litauisch entdecken, die zu unserem Abendkonzert in die historische Evangelische Fischerkirche einluden. Das hat uns sehr gefreut.
Über den Förderverein Thomas-Mann-Haus e. V. hatten wir Kontakt zu Frau Christel Tepperis bekommen, die als eine der letzten hier geborenen Deutschen zu den ganz wenigen gehört, die noch kurisch sprechen, die alte Sprache der Fischer von der Nehrung. Perfekt hatte sie vor Ort vom Quartier über das Konzert bis zum morgendlichen Segeltörn auf dem Haff alles für uns organisiert. Um 20.00 Uhr fand in der Evangelischen Fischerkirche in Nidden dann ein stimmungsvolles Abendkonzert statt. Neben einem Nocturne über das typisch deutsche Abendlied 'Der Mond ist aufgegangen' durften auch die Abendglocken von Franz Abt und das Abendgebet von Engelbert Humperdinck nicht fehlen, bevor das Konzert mit Johann Sebastian Bachs 'Air' und 'Nun ruhen alle Wälder' endete. Die Texte steuerte Reinhold Fritsch aus Ludwigsmoos-Pöttmes bei, der als Urlaubspfarrer in Nidden weilte. Am anderen Morgen, Montag, 09. Aug. 2010, wartete nach einem ausgiebigen Frühstücksbuffet im Haff ein großes Segelschiff auf uns. 'Leinen los' hieß es dann für CON FUOCO. Nahe der litauisch-russischen Demarkationslinie feierten wir dann mit Pfarrer Fritsch mitten auf dem Haff eine Morgenandacht, zu der ein Bläserquartett auch das entsprechende Musikstück von Pjotr Iljitsch Tschaikowsky intonierte.

Eine Seefahrt ist nicht nur lustig, sondern sie macht auch Durst. Wieder im Hafen von Nidden angekommen, gab es frisch geräucherten Aal mit Fassbier - ein Genuss! Danach war es für uns Zeit, zur russischen Grenze bei Morskoje/Pillkoppen aufzubrechen. Dort waren wir mit Direktor Sergej Vislow von Salem International verabredet, der uns auf der russischen Seite bereits erwartete.



Die vier Bilder zeigen CON FUOCO in Memel/ Klaipeda beim Ständchen vor der Denkmal des Ännchens von Tharau, mit Frau Magdalena Piklaps in der imaginären ehemaligen St. Johannis- Kirche, auf hoher See im Kurischen Haff beim Segeltörn und beim Abendkonzert in der Fischerkirche in Nidden.


Mitten durch die Kurische Nehrung verläuft die Grenze zwischen Litauen und dem Kaliningrader und damit russischen Gebiet. Am dritten Tag unserer Reise, Montag, 09.08.2010, war es soweit: Wir standen vor dem Schlagbaum - ein wenig mulmig war es uns schon zumute. Doch Dank einwandfreier Papiere kamen wir ohne jegliche Probleme über die Grenze. 'Maaaarrrtiiin Schääänfäääld! Häärzläch wällkommääään!' tönte es uns auf der russischen Seite der Grenze entgegen: Sergej Vislow, Direktor von Salem International, erwartete uns bereits und das frohe Grinsen auf seinem Gesicht war ebenso breit wie seine ausgebreiteten Arme, mit denen er unseren musikalischen Leiter Martin Schönfeld an sich quetschte. Vorbei an endlosen lichten Kieferwäldern, die sich über moosigen Boden erstreckten, fuhren wir über die schmale Nehrung Richtung Königsberg.

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Vor den Toren der Stadt liegt das Salem- Kinderdorf 'Raduga', dem Sergej Vislow vorsteht. Hier finden Straßen- und Waisenkinder Heimat, Familie und Erziehung. Als wir vor 'unserem' Haus standen, das uns zur Verfügung gestellt war, traf uns beinahe der Schlag: Ein achteckiges Haus, das ein wenig an eine umgestülpte Suppentasse erinnerte, ganz aus Holz und mit Strohdämmung gebaut, das Dach begrünt und mit Platz ohne Ende - in der Mitte ein großer Raum mit Oberlicht, das auf eine lange Speisetafel herabscheinte und rings herum 10 Zimmer, Duschen, Bäder, Toiletten, eine große Küche - und das alles für uns zur Verfügung einschließlich Vollwertfrühstück, das vom Bircher Müsli bis zum selbst gebackenen Brot, Honig aus eigener Imkerei, selbst gestampfter Butter und Quark, Milch direkt von der Kuh und frischem Obst und Gemüse alles bot. Wir konnten es kaum fassen!

Uns blieb gerade noch Zeit, unsere Koffer aus den Autos zu schmeißen, dann fuhren wir gleich weiter ins ca. 30 km entfernte Svetly/ Zimmerbude, das ebenfalls zur Evangelisch-Lutherischen Propsteikirche Königsberg gehört: Hier hatten wir um 18.30 Uhr einen Abendgottesdienst zu begleiten - mit etwas Verspätung kamen wir an der hübschen blau gestrichenen Holzkirche an - die Gemeinde hatte mit dem Gottesdienst auf uns gewartet. Pfarrer Ulrich Schönborn aus Münster war als Urlaubsvertretung für Propst Jochen Löber dort und begrüßte uns herzlich - vom Telefon her kannten wir uns bereits. Die Simultanübersetzungen kannten wir ebenfalls schon - nun hörten wir den Gottesdienst auch in russischer Sprache, die Tage zuvor hatten wir litauisch gehört. Zusammen mit der Gemeinde feierten wir das Abendmahl.

Den nächsten Tag, Dienstag, 10.08.2010, hatten wir von jedem Termin frei gehalten: Im berühmten Seebad Rauschen genossen wir bei strahlendem Sonnenschein einen Tag am Meer und ließen uns von den Wellen der unerwartet warmen Ostsee schaukeln.
Am Mittwoch, 11.08.2010 ging es gleich nach dem Frühstück hinein nach Königberg in die Auferstehungskirche zur Probe. Hier trafen wir zum ersten mal unsere wichtigste Helferin, die uns bei der Organisation unserer Reise vor Ort unbezahlbare Hilfe geleistet hatte: Ludmilla Pretzer, Mitarbeiterin der Evangelischen Propstei Kaliningrad. Unzählige mails waren zwischen ihr und Martin hin- und hergeschickt worden und überglücklich schlossen sich die beiden in die Arme. Juri Tverdov, der den dortigen Posaunenchor leitet, selbst Posaune spielt und mit uns im Königsberger Dom mitspielen würde, wartete ebenfalls schon auf uns. Dass Musik nicht vieler Worte bedarf war schnell klar: Juri suchte sich den allerbesten Platz aus: Er setzte sich neben Damaris - und die beiden Posaunisten verstanden sich auf Anhieb. Ganz offensichtlich waren an diesem Morgen aller guten Dinge drei: So gesellte sich auch Julia Barebischewa zu uns, eine junge und bildhübsche Studentin, die die Deutsche Sprache studiert und die Tage unseres Aufenthaltes nutzen wollte, um sich als Dolmetscherin zu üben - ob wir damit einverstanden wären? - fragte sie uns. Jule, wie sie sich selbst nannte und die uns so völlig unerwartet in den Schoß gefallen war, erwies sich als unbezahlbarer Schatz. Sie begleitete uns überall hin und war außerordentlich hilfreich! Damit war auch das Problem beim Busfahren durch die Stadt, Lesen der Speisekarten im Restaurant und Bestellen oder Erklären der Musikstücke bei unseren Konzerten ganz von alleine gelöst - unerwartet und damit doppelt erfreulich!
Nach der Probe war für uns eine Stadtführung durch Königsberg organisiert, über die es so viel zu erzählen gäbe. Wir staunten, wie viele deutsche Spuren wir überall noch entdecken konnten - auch auf Friedrich Schiller sind wir getroffen: Sein Denkmal wurde in der Schlacht um Königsberg verschont, weil ein unbekannter Rotarmist ein Schild umgehängt hatte: 'Nicht schießen, das ist ein Dichter'. Die sogenannte 'Stumme Volksabstimmung' sei hier auch ganz kurz erwähnt: An vielen Autos ist unter dem Autokennzeichen der Name 'Königsberg.' zu lesen. Die Fahrer dieser Autos tun damit ihre Meinung kund, dass die Stadt Kaliningrad wieder ihren ursprünglichen Namen .'Königsberg.' erhalten sollte. Da die Bürger nicht nach ihrer Meinung gefragt werden, fahren sie diese mit ihren Autos spazieren - und beweisen damit nicht wenig Mut.

Nach Stadtführung und Mittagessen machten wir uns anschließend auf den Weg ins ca. 50 km entfernte Gvardejskoe/ Mühlhausen, wo wir in der Evangelischen Kirche zu einem Abendkonzert einluden. In dieser Kirche war Margarethe von Kuenheim begraben, die jüngste Tochter von Martin Luther. Früher galt diese Kirche als schönste Landkirche Ostpreußens, im Krieg wurde auch sie ausgeplündert und zweckentfremdet. Seit der Perestrojka wurde die evangelisch-lutherische Kirche in Russland Eigentümer der Kirche, mit Förderhilfe aus Deutschland wird die Kirche Stück für Stück wieder restauriert und ab 1999 konnten erstmals wieder Gottesdienste in der Kirche abgehalten werden. Wir freuten uns sehr, dass wir an diesem ehrwürdigen Platz spielen durften! Oben auf dem Dach der Kirche klapperten die Störche dazu: Drei Storchenpaare zogen hier ihre Jungen auf. Ein paar von uns ließen sich nach dem Konzert den Spaß einer Turmbesteigung nicht nehmen und konnten eines der Nester aus allernächster Nähe betrachten.

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Am Donnerstagmorgen, 12.08.2010 machte Direktor Sergej Vislow uns eine große Freude: Er brachte ein Kirschbäumchen für CON FUOCO, das von unserem Vorstand Thomas Götz und unserem musikalischen Leiter Martin Schönfeld feierlich gepflanzt wurde. Natürlich bekam unser Bäumchen von uns nicht nur einen ordentlichen Eimer Wasser, sondern auch ein Ständchen. Möge es wachsen und gedeihen! Mit den Kindern des Dorfes gab es im Anschluss daran ein zünftiges Fußballspiel, bei dem kräftig gekämpft wurde und der Schweiß in Strömen floss. Die Kinder haben natürlich gewonnen und wurden von uns mit mitgebrachten Süßigkeiten belohnt - da wollten sie gleich nochmals spielen!

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Am Nachmittag besuchten wir das Seniorenheim Carl-Blum-Haus in Sadoroschje bei Osersk (Kirchenkreis Gussev/ Gumbinnen), wo wir die Bewohner mit einem Mittagskonzert erfreuten. Auch hier - wie überall wo wir hinkamen - erwartete uns zuerst ein gedeckter Tisch, Mittagessen mit Fisch und Wurst, kalte Gurkensuppe, Gemüse und Kartoffeln, Kaffee, Kuchen und Eiscreme. 'Von guten Mächten wunderbar geborgen…..' D. Bonhoeffers Liedverse hingen an der Wand. Diese Begegnung war sehr emotional, 'unsere' Jule übersetzte alles, was Martin erzählte, die Heimbewohner wünschten sich ihre Lieder: Zu 'Sascha liebt nicht große Worte' wurde gelacht und geklatscht, zu 'Kalinka' flossen viele Tränen. Durch endlose Heidelandschaften machten wir uns auf den Heimweg - jeder mit seinen Gedanken beschäftigt. Wir waren froh, dass wir in unserem Haus soviel mehr Freiheit genießen konnten als in einem Hotel oder einer Herberge und saßen jeden Abend bei einem Glas Wein zusammen und ließen die Erlebnisse und Eindrücke der Tage nochmals Revue passieren. Die vielen vielen Eindrücke machten einen Austausch so wichtig.


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Am Freitag, 13.08.2010 warteten wieder zwei Termine auf uns: Am Nachmittag trafen wir uns um 16.00 Uhr im Königsberger Dom mit dem Organisten Artjom Chatschaturow zur einzigen gemeinsamen Probe. Über dem Eingangstor des Königsberger Doms steht aus dem Johannesevangelium: 'Jesus spricht: Ich bin die Tür, so jemand durch mich eingeht, der wird selig werden (Joh.10.9)'. Oh - was wurde uns anders, als wir den Dom betraten! Nicht, dass das Gebäude auch nur annähernd so imposant wäre wie der Kölner Dom oder das Ulmer Münster - nein, keineswegs. Der Königsberger Dom ist viel kleiner. Aber der ATEM, der hier zu spüren ist und die Geschichte, die hier zu greifen ist, gebietet jedem Besucher Ehrfurcht. Und als wir erst auf der Orgelempore standen und mit Artjom unsere Stücke anprobten - da bekamen wir alle das Herzflattern und wurden ganz klein. Erst in diesem Moment wurde uns so richtig klar, wo wir eigentlich waren! 'Jetzt wisst ihr, warum wir so konsequent geprobt haben!' sagte unser musikalischer Leiter mit leichtem Sarkasmus in der Stimme und schaute uns nur an - und wir hatten Herzklopfen - und zwar alle, auch unsere ganz 'alten Hasen', die schon sonst wo gespielt haben.


Dass CON FUOCO mit allen Terminen auf der Internetseite des Deutschen Generalkonsulats angekündigt war, haben wir zum Glück erst am Samstag NACH dem Konzert erfahren und zwar vom stellvertretenden Generalkonsul Wolfgang Birmans persönlich, der unser Konzert besuchte und uns herzlich in Königsberg willkommen hieß. Hier der link zum Generalkonsulat: http://www.kaliningrad.diplo.de/Vertretung/kaliningrad/de/Arbeitsordner/Seite__Posaunenchor.html Am liebsten hätten wir an diesem Nachmittag wieder und wieder das ganze Programm durchgeprobt, doch wir hatten keine Zeit: Im Kulturhaus im ca. 80 km entfernten Prawdinsk wurden wir auf Einladung des Deutsch-Russischen Hauses zu einem Abendkonzert erwartet. Vor dem Dom wartete schon ein Bus auf uns, der uns abholte. Gespannt stiegen wir in das klapprige Gefährt, das aussah, als würde es jeden Moment auseinanderfallen. Mit offenen Bustüren düste der Fahrer mit uns durch die endlose Heidelandschaft und brachte uns in zweistündiger Fahrt nach Prawdinsk.

Vom Konzertabend im Kulturhaus Prawdinsk und vom Konzert im Königsberger Dom ist nächste Woche zu lesen. Die drei Bilder zeigen unser Haus im Kinderdorf Raduga, Thomas Götz und Martin Schönfeld beim Pflanzen unseres Bäumchens sowie CON FUOCO im Seniorenheim Carl-Blum-Haus in Sadoroschje bei Osersk.




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Am Freitag, 13. August waren wir auf Einladung des Deutsch-Russischen Hauses Gast in Prawdinsk/ Friedland im dortigen Kulturhaus, wo wir zu einem Abendkonzert einluden. Als unser Bus durch die Stadt rumpelte, sahen wir zu unserer Freude überall handgeschriebene Plakate hängen, die auf das Konzert mit CON FUOCO hinwiesen - natürlich alles in russischer Sprache. Vor dem Kulturhaus wurden wir freudig von der Direktorin Valentina Barusdina begrüßt. Der Konzertsaal hatte einen typisch sozialistischen Charme und glich eher einem Kinosaal - und die Akustik war hier durch die vielen Vorhänge und Teppiche, die jeden Klang verschluckten, sehr schwierig. Auch hier in Prawdinsk erwartete uns wieder ein gedeckter Tisch und wir konnten uns vor dem Konzert stärken. Mit der beeindruckenden Münchener Olympia-Fanfare von 1972 begannen wir den Konzertabend, grüßten dann unsere Gäste mit der Russischen Nationalhymne - und alle Besucher erhoben sich von ihren Plätzen. Gespannt waren wir, was nun bei der anschließend musizierten Deutschen Nationalhymne geschehen würde - und freuten uns, denn die Gäste erhoben sich erneut. Dann konnte das eigentliche Konzert beginnen. Den ersten Teil widmeten wir berühmten deutschen (von Johann Sebastian Bach bis Richard Wagner) und russischen Komponisten (Modest Mussorgsky, Pjotr Ilich Tschaikowsky bis Dimitri Schostakowitsch).

Im zweiten Teil folgten bekannte russische und deutsche Volkslieder, der dann mit der inoffiziellen schwäbischen Nationalhymne 'Preisend mit viel schönen Reden' endete. Unser musikalischer Leiter Martin Schönfeld war bester Laune und moderierte locker und humorig durch das Konzertprogramm, die Übersetzung ins Russische übernahm in unschlagbar charmanter Weise wieder Julia Barebischewa und die beiden spielten sich gegenseitig die Bälle zu - es war ein echtes Vergnügen! Bei 23 Konzertstücken und 2 Zugaben wurde von uns Bläsern viel Stehvermögen abverlangt.

Am Ende des Konzerts gab es für uns Blumen, Pralinen und Krim-Sekt. Im Gegenzug schenkten wir Württemberger Wein. Nach dem Konzert kamen viele Besucher zu uns vor an die Bühne, schüttelten uns die Hände und umarmten uns. Am meisten berührte uns der Dank eines pensionierten russischen Offiziers. Er reichte unserem musikalischen Leiter Martin Schönfeld die Hand und dankte für unseren Besuch und unser Konzert. Eine Frau fragte uns, wie wir es denn geschafft hätten, die vielen Instrumente durch die Grenze zu bringen. Martin erklärte, dass wir im Notfall einfach die russische Nationalhymne gespielt hätten und beim 'Strammstehen' alle Bläser einfach durchmarschiert wären - dieser Spaß löste große Heiterkeit im Saal aus und wurde mit viel Applaus bedacht. Es war so greifbar zu spüren, dass die Menschen anders gegangen sind, als sie gekommen waren. Unsere Musik hatte Brücken geschlagen. Sicherlich war dieses Konzert aufgrund der Länge und der Vielseitigkeit das konditionell schwierigste Konzert unserer ganzen Reise - jedoch gleichzeitig eine gute Ausgangsbasis für das wichtigste Konzert und Höhepunkt der Musikreise am folgenden Tag im Königsberger Dom.
Als wir in der Nacht erschöpft und hungrig in unser Haus im Kinderdorf ankamen, erwartete uns eine Überraschung: Der Geschäftsführer von Salem International, Gerhard Lipfert, war extra aus Deutschland angereist, um uns kennen zu lernen und uns bei unserem Konzert im Dom zu begleiten. Schnell waren freundschaftliche Bande geschlossen - wir verstanden uns auf Anhieb. Von ihm bekamen wir auch ein großes Kompliment: 'Menschen wir ihr machen die Utopie zur Realität!' Das hat uns sehr gefreut!

Am Samstag, 14. August fuhren wir dann bei strahlendem Sommerwetter hinein nach Königsberg. Total überrascht wurden wir, als wir überall Plakate sahen, auf denen in Russisch auf das Konzert von CON FUOCO mit Artjom Chatschaturow hingewiesen wurde. Oh - was waren wir aufgeregt! Schon beim Soundcheck in dem noch völlig leeren Dom nahm uns der Moment gefangen. Die Zeit bis zum Konzert nutzten wir für eine Rundfahrt auf dem Pregel, die Gerhard Lipfert genialer Weise für uns auf die Schnelle organisiert hatte und tuckerten auf einem Motorboot durch den Hafen und um den Dom herum.

Je näher der Konzertbeginn kam, desto mehr füllte sich der Dom - die Menschen strömten herbei, bis der Dom schließlich zum allerletzten Platz besetzt war. Die Musikdirektorin Elena übernahm die Moderation des Konzertes und pünktlich um 18.00 Uhr ging es los. Den Auftakt machte CON FUOCO mit dem Allegro aus Concerto op 3 No. 9 nach einem Thema von Antonio Vivaldi von Johann Sebastian Bach. Danach zeigte Artjom Chatschaturow, welche Kraft in der neuen Schuke- Orgel steckt. Höhepunkt des Konzerts war der Feierliche Einzug für Orgel und Bläser von Richard Strauß/Max Reger. Das kraftvolle Stück forderte von uns Bläsern gegenüber der Orgel klanglich ein großes Stehvermögen. Artjom fuhr die Schweller der Orgel hoch, dass uns auf der Empore der Boden unter den Füßen vibrierte.

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Direktor Sergej Vislow meinte nach dem Konzert: 'Es war Musik direkt vom Himmel' - so empfindet wohl jeder Zuhörer dieses gewaltige Werk von Richard Strauß. Nach einem weiteren Orgelstück folgte das groß angelegte Allegro Assai op. 61 Nr. 4 für 10stimmigen Bläserchor von Alexandre Guilmant. Das anschließende doppelchörige KYRIE C-Moll von Felix Mendelssohn Bartholdy widmete unser musikalischer Leiter den vielen zivilen Opfern in Königsberg nach der Kapitulation am 09.04.1945. Im Schlussteil des Konzerts folgten mit der 'Promenade' und dem 'Bydlo' aus 'Bilder einer Ausstellung' von Modest Mussorgsky und dem original für Bläser komponierten 'Andante op. 38' von Alexander Glasunow russische Komponisten. Lang anhaltender Beifall war Dank für diese schöne Geste von CON FUOCO. Artjom Chatschaturow zog mit dem Schlusstück des Konzerts buchstäblich alle Register der Orgel. Mit stehendem Applaus und Bravo-Rufen wurden Artjom Chatschaturow und CON FUOCO vom Publikum gefeiert. Trotz der mächtigen Anstrengung beschlich uns doch ein gutes Gefühl, den großen Anforderungen gerecht geworden zu sein. Dann geschah etwas völlig Unerwartetes: Plötzlich stand ein Mann vor unserem musikalischen Leiter, den wir nur vom Fernsehen oder von Büchern kannten: Igor Odincov, der maßgeblich für den Wiederaufbau des Doms verantwortlich ist, streng darüber wacht, wer im Dom konzertiert und CON FUOCO als 'Bläser aus Deutschland' zunächst keinen Zutritt gestatten wollte. Er kam auf die Empore, um für unser Konzert zu danken und drückte Martin Schönfeld fest die Hand - und wir konnten Martin einmal völlig sprachlos erleben. Der Dom ist ein kleines Wunder - seine Geschichte hat uns letztendlich hierher geführt.

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Nach dem Konzert machte sich langsam die Freude breit und wir mussten zum obligatorischen Foto vor die Eingangstür. Viele Menschen kamen einfach auf uns zu, dankten und freuten sich mit uns und ließen sich zur Erinnerung mit uns fotografieren - darunter auch der Vertreter des Generalkonsulats in Kaliningrad, Wolfgang Birmans. Auch er was sehr erfreut und stolz, dass eine deutsche Bläsergruppe mit dem Organisten Artjom Chatschaturow im Königsberger Dom konzertieren durfte und solch eine gute Stimmung zu spüren war. Nach so einem Konzert musste natürlich gefeiert werden! Gerhard Lipfert und unsere beiden guten Feen Ludmilla Pretzer und Julia Barebischewa. entführten uns dann in sehr gutes Lokal an einem historischen Ort, dem Rossgärter Tor. In einem historischen Saal fanden wir uns wieder an einer langen, romatisch gedeckten Tafel im Kerzenlicht und gaben uns einfach nur noch der gelösten Stimmung, der Freude und dem ausgezeichneten Essen hin.

Noch drei Tage würden uns bis zu unserer Heimreise bleiben und damit noch ein Gottesdienst in der Auferstehungskirche in Kaliningrad, ein Abendkonzert in der Salzburger Kirche in Gusev/ Gumbinnen und eine Übernachtung in einem Nonnenkloster - der letzte Teil unserer grandiosen Musikreise ist nächste Woche zu lesen. Die drei Bilder zeigen Martin Schönfeld und die Direktorin des Kulturhauses in Prawdinsk nach dem Konzert beim Austausch der Gastgeschenke und CON FUOCO nach dem Konzert im Königsberger Dom in ausgelassener Stimmung zusammen mit Konsul Wolfgang Birmans und Organist Artjom Chatschaturow und Ludmilla Pretzer.

Seit 1946 war das Kaliningrader Gebiet militärisch gesperrt, bis zum Zusammenbruch der Sowjetunion im Jahre 1991. Seit der Öffnung dürfen auch die Kirchen offiziell wieder arbeiten und schon 1991 wurden die ersten Evangelisch-Lutherischen Gemeinden von russlanddeutschen Übersiedlern gegründet. Inzwischen gibt es ca. 3.000 Mitglieder in 45 kleinen Gemeinden, die in der Evangelisch- Lutherischen Propstei Kaliningrad zusammengefasst sind. 1999 konnte in Kaliningrad mit der Auferstehungskirche ein neues Kirchenzentrum eingeweiht werden.

Am Sonntagmorgen, 15. August hielten wir in dieser Kirche mit der Gemeinde Gottesdienst. Wir freuten uns, dass neben dem Posaunisten und Leiter des dortigen Posaunenchores Juri Tverdov auch zwei von 'seinen' jugendlichen Bläsern mit uns den Gottesdienst mitgestalteten. Die beiden Jungs setzten sich einfach dazu und spielten mit - so muss es sein! In diesem Gottesdienst hieß es für uns Abschied neben von der Stadt Königsberg, von unseren Helfern und Unterstützern vor Ort: Den kirchlichen Mitarbeiterinnen Ludmilla Pretzer und Nina Hahn, Direktor Sergej Vislow vom Kinderdorf Raduga, Pfarrer Ulrich Schönborn und unserer Dolmetscherin Julia Barebischewa. Gerührt nahmen wir von der Gemeinde die guten Wünsche und den Segen für unsere weitere Reise entgegen.




Die Salzburger Kirche im 300 km entfernten Gemeindebezirk Gussew/ Gumbinnen - ebenfalls zur Propstei Kaliningrad gehörend - war unsere nächste und zugleich letzte russische Station. Hier würden wir noch am gleichen Tag ein Abendkonzert geben. Diese Gemeinde hat eine lange und reiche Tradition, die auf die Geschichte der Salzburger Protestanten zurückgeht. Das schlichte, schöne Bauwerk der Salzburger Kirche wurde einst von Preußens großem Baumeister Karl Schinkel (1781- 1841) geschaffen und war zu Sowjetzeiten als Schuppen missbraucht worden.1995 wurde diese Kirche in der früheren Gestalt wieder eingeweiht. Als wir uns von Königsberg aus auf den Weg nach Gussew machten, hatten wir keine Ahnung, wo wir in der nächsten Nacht schlafen würden. Wir vertrauten einfach darauf, dass für uns irgendwo ein Bett stehen würde - und so war es dann auch. Im Diakoniezentrum, dem 'Haus Salzburg'direkt neben der Salzburger Kirche, fanden wir unsere nächste Unterkunft. Gerhard Lipfert, Direktor von SALEM International, begleitete uns nach Gussew/ Gumbinnen und hatte sein Auto in einen 'Krankentransport' umfunktioniert, so dass unser erkrankter Bläser bequem liegend im vollklimatisierten und gut gefederten Auto reisen konnte. So blieb er verschont von unseren 'Stock-Cars', mit denen wir seit der Anmietung an unserem Startflughafen Kaunas (Litauen) durch die Gegend klapperten.
In Gussew angekommen erwartete uns im Gemeindehaus zuerst wieder ein gedeckter Tisch und wir wurden verwöhnt mit Kartoffeln mit vielen Zwiebeln in Butter gedünstet, Gemüse, Würstchen und warmem Aprikosenkuchen. Über der Türe fanden wir wie am Königsberger Dom eine Deutsche Inschrift: GOTT DER HERR IST SONNE UND SCHILD. Gespannt strömten die Besucher am frühen Abend in die Kirche zu unserem Abendkonzert. Draußen knallte die Sonne vom Himmel herunter und es war auch um 18 Uhr noch sehr sehr heiß. Wir dampften in unserer Konzertkleidung vor uns hin, alle Kirchentüren blieben geöffnet und unsere Zuhörer fächelten sich Luft zu. Dieses Konzert wird als eines der lustigsten Konzerte, die wir je erlebt haben, in unsere Chorgeschichte eingehen, denn es entwickelte sich zu einem 'Interaktiven Musikabend'. Bei sengender Hitze und strahlendem Sonnenschein Variationen über 'Der Mond ist aufgegangen' oder 'Nun ruhen alle Wälder' zu spielen machte uns keinen rechten Spaß. Die Besucher waren sehr lebhaft und klatschten und hüpften nach jedem Stück - und war es auch noch so ruhig und getragen.

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Schließlich geschah, was uns noch niemals zuvor passiert ist: Unser musikalischer Leiter Martin Schönfeld brach nach dem vierten Stück kurzerhand das Abendprogramm ab und wandte sich an das Publikum, eine Mitarbeiterin übersetzte: Ob es in Ordnung wäre - in Anbetracht der Hitze und des Sonnenscheines - vom Abendprogramm abzuweichen und frei zu musizieren? Gelächter war die Antwort und das Klatschten der Besucher spornte uns an - die Menschen wollten einfach nur unterhalten sein. Und so spielten wir quer durch unser ganzes Programm auch Lieder, die mit dem Thema 'Abend' so gar nichts zu tun hatten. Die Zuhörer wünschten sich Melodien, einige stimmten Lieder an und bald sang und klatschte die ganze Kirche - das war ein Spaß! Schweißgebadet und glücklich nahmen wir am Ende den frohen Applaus unserer Gäste entgegen.

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Bei einem kühlen Bier in der Stadt - das wir uns mehr als verdient haben - ließen wir unseren letzten Abend im russischen Gebiet in fröhlicher Runde ausklingen. An diesem Abend konnte unser Trompeter Michael Schöll im wahrsten Sinne des Wortes sagen 'Ich glaub, mich knutscht ein Elch', denn er ließ es sich nicht nehmen, dem Wahrzeichen der Stadt Gussew, dem berühmten Gussewer Elch, seine 'Aufwartung zu machen': Die lebensgroße Bronzeskulptur wurde 1911 vom Tierbildhauer Ludwig Vordermayer geschaffen und war nach dem Krieg in den Zoo nach Kaliningrad gebracht worden. In einer Nacht- und Nebelaktion holten sich 1991 einige mutige Gussewer ihr Wahrzeichen zurück. Heute steht der Elch ein paar hundert Meter von seinem früheren Platz entfernt in einem Park. Auf seinem ehemaligen Platz steht eine Statue des Hauptmanns Sergej Iwanowitsch Gussew, nachdem die ehemalige Stadt Gumbinnen nach dem Krieg benannt wurde. Bevor wir uns am nächsten Morgen, Montag, 16. August, wieder Richtung Litauen aufmachen, spielten wir Alexander, dem Leiter des Diakoniehauses 'Haus Salzburg' im Garten noch ein Ständchen - er hatte nämlich an diesem Tag Geburtstag - und dankten ihm von Herzen für die Gastfreundschaft.

Dann machten wir uns auf den Weg zur Grenze, die nicht weit von Gussew entfernt ist, zurück nach Kaunas in Litauen. Unser nächstes und letztes Ziel war dort ein Nonnenkloster, das uns für unsere letzte Nacht aufnehmen würde. Fünf Stunden schmorten wir an der Grenze, bis wir wieder 'drüben' waren und konnten in dieser Zeit die gängige Praxis der Schiebung beobachten. Eine endlose Schlange stand vor der Grenze, immer nur fünf Autos wurden zur Abfertigung eingewunken, dann passierte wieder eine Ewigkeit gar nichts. Immer mal wieder fuhren jedoch die sogenannten 'Schleuser' an der Schlange vorbei bis ganz vorne hin - im Schlepptau die dicksten Autos - die dann 'schwupp!' gleich durchfuhren. Wir hatten uns eingestellt auf eine Wartezeit von einer Stunde bis zu einem Tag und uns zuvor gut versorgt. So haben wir diese letzte Hürde ebenfalls gelassen genommen. In Litauen angekommen fuhren wir geradewegs nach Kaunas - allerdings zunächst ins falsche Kloster, dem barocken Kloster Pazaislis, das uns imposant entgegen grüßte. Wer hätte gedacht, dass es in Kaunas so viele Nonnenkloster gibt? Zum Glück fanden wir dort eine Nonne, die sehr gut Englisch sprach. Schwester Lydia telefonierte in der Gegend herum und konnte uns schließlich den richtigen Weg erklären. Zum Dank für die hilfreiche Unterstützung versprachen wir, am nächsten Morgen wiederzukommen und in der Klosterkirche zuspielen, was sie freudig zusagte. Auch in 'unserem' Nonnenkloster fanden wir eine herzliche Aufnahme, einen schön gedeckten Tisch und hübsche Zimmer. Für die Gastfreundschaft dankten wir mit einem Abendkonzert - was dabei Wunderbares geschah wurde bereits im ersten Teil des Berichtes erzählt.


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Unser letzter Tag war angebrochen, es war Dienstag, der 17. August. Wie versprochen fuhren wir noch einmal ins Kloster Pazaislis. In der imposanten Klosterkirche waren gerade Fotoarbeiten im Gange: Restauratoren aus Polen fotografierten jede Freske an den Wänden und an der Decke und alle Figuren - und schließlich auch uns, als wir in dieser klangvollen und erhabenen Klosterkirche aus dem 17. Jahrhundert spielten, die als eines der schönsten Barockbauwerke in Litauen gilt. An diesem Ort die letzten Töne unserer Musikreise erklingen zu lassen empfanden wir als einen sehr schönen und würdigen Abschluss. Außer den Nonnen waren noch die Fotografen und einige Besucher, die das Kloster besichtigten unsere Zuhörer. Dann packten wir unsere Instrumente für die Heimreise ein. Heinrich Leutenberger bemerkte ganz trocken angesichts des mittlerweile perfekt verstauten Gepäcks: 'Eigentlich sollten wir jetzt die ganze Reise noch mal von vorne machen - schließlich wissen wir jetzt endlich, wie man die Autos richtig lädt!' Leider blieb es aber bei diesem Wunsch. Wir hatten noch ein paar Stunden Zeit bis zum Abflug und ließen die Reise bei einem kleinen Picknick an der aufgestauten Memel ausklingen. Ein paar von uns hatten zuvor schon ihre Badesachen aus den Koffern herausgenommen und schwammen in dem badwarmen, flaschengrünen Wasser.

Der Flieger brachte uns am Abend dann pünktlich und wohlbehalten zurück nach Frankfurt-Hahn und vom Flughafen weg fuhr unser Vorstand Thomas Götz unseren am Bein erkrankten Mitreisenden schnurstracks ins Krankenhaus. Wir waren so froh, dass die Entzündung erst ganz am Ende der Reise aufgetreten war, unser Held so tapfer und klaglos durchgehalten hat und heute wieder auf den Beinen ist - ganz wörtlich genommen. Das war unser einziger Wermutstropfen. Zehn Reisetage waren zu Ende, die gefüllt waren mit Erlebnissen, Begegnungen und Eindrücken, die wir nie wieder vergessen werden. Die Wärme, Liebe und Freundlichkeit, mit denen man uns überall entgegenkam, die Gastfreundschaft, die große Kunst des Organisierens, die wir vor Ort überall erleben durften, das sich Ineinanderfügen von Begegnungen, Orten, Terminen, Erlebnissen hat uns tief berührt.
Dass wir im Königsberger Dom spielen durften können wir noch immer beinahe nicht glauben. Der ganz besondere Dank des Posaunenchores Con Fuoco gilt unserem musikalischen Leiter Martin Schönfeld, der den Impuls zu dieser Musikreise gab, Kontakte knüpfte, Reisewege suchte und fand, sich mit der Geschichte des Landes und der einzelnen Städte und Gemeinden auseinandersetzte und die ganz unterschiedlichen Konzert- und Gottesdienstprogramme auf jeden Ort abstimmte, gestaltete und mit uns einübte.
Ihm galten die Worte des Direktors von Salem International, Gerhard Lipfert: 'Menschen wir ihr machen die Utopie zur Realität!'

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